Zum ersten Mal wurde in Belgien ein Chef der „sexuellen Diskriminierung“ für schuldig befunden, weil er eine Mitarbeiterin entlassen hatte, die eine Abtreibung vorgenommen hatte.
Der Arbeitgeber wurde verurteilt, der Arbeitnehmerin ein sechsmonatiges Bruttogehalt zu zahlen. Laut dem belgischen Institut für Geschlechtergleichstellung (IGVM) stellt diese Entscheidung einen wertvollen Präzedenzfall dar, da sie klar bekräftigt, dass die Entlassung wegen Abtreibung eine Form der Geschlechterdiskriminierung darstellt.
Laut Aussage des Instituts teilte die in der Pflegebranche im flämischen Teil des Landes arbeitende Dame ihrem Chef mit, dass sie schwanger sei und die Schwangerschaft beenden wolle.
Wenige Tage vor der Abtreibung teilte der belgische Chef der Mitarbeiterin mit, dass es „eine Leistungsbeurteilung“ geben werde. Am zweiten Werktag nach der Abtreibung wurde der Vertrag der Frau mit der Begründung „Leistungsverwässerung und Vertrauensbruch“ gekündigt.
Das Belgische Institut für Gleichstellung der Geschlechter hat im Namen einer Arbeitnehmerin Klage beim Arbeitsgericht eingereicht. Nach Angaben des Instituts entschied das Gericht bald, dass „die Entlassung auf eine Abtreibung zurückzuführen war und daher eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellte“. Das Gericht wies darauf hin, dass der Chef keine objektiven Beweise für die Kündigungsverhältnisse vorlegen könne.
Nach Ansicht des Gerichts deuten der Zeitpunkt der Entlassung und das Fehlen einer wesentlichen Neubeurteilung auf einen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Schwangerschaftsabbruch hin. Daher verurteilte das Gericht den Chef zur Zahlung des Bruttomonatsgehalts von sechs Monaten an die Arbeitnehmerin.
Das Gericht entschied außerdem, dass der Chef der IGVM eine symbolische Entschädigung in Höhe von 1 Euro zahlen müsse. Der Chef legte gegen die Entscheidung keine Berufung ein. Nach Angaben des Instituts ist dies die erste Entscheidung, die ausdrücklich bekräftigt, dass eine Entlassung wegen Abtreibung eine Form der medizinischen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt. Damit wird ein wertvoller Präzedenzfall geschaffen.
„Die Entscheidung des Gerichts ist eine klare Botschaft, dass Frauen nicht entlassen werden sollten, weil sie ungewollt schwanger werden und sich für einen vorzeitigen Schwangerschaftsabbruch entscheiden könnten“, sagte Liesbet Stevens, stellvertretende Direktorin der IGVM, gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender VRT.
Nach Angaben des Instituts ist Diskriminierung bei Schwangerschaft und Geburt in Belgien trotz gesetzlicher Regelungen immer noch ein großes Problem.
Drei von vier in Belgien arbeitenden Frauen haben aufgrund einer Schwangerschaft oder Mutterschaft mindestens einmal Diskriminierung, Benachteiligungen, Ungleichbehandlung oder Spannungen am Arbeitsplatz erlebt. Jede dritte beim Institut eingereichte Beschwerde betrifft Probleme am Arbeitsplatz aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft.
T24